Jan 2018

Sachsen-Anhalts Kultusminister hält Weg der Inklusion für gescheitert

Überforderte Lehrer und Schüler: Die Inklusion funktioniert nicht, sagt der CDU-Politiker Tullner. Deutschland habe die UN-Behindertenrechtskonvention überinterpretiert. 

Sachsen-Anhalts Kultusminister Marco Tullner (CDU) hält den bisherigen Weg der Inklusion für gescheitert. Er sei davon überzeugt, dass es Kinder mit Förderbedarf gibt, die in Förderschulen besser betreut werden können als in einer heterogenen Regelklasse, sagte er dem Spiegel.

Laut Tullner geht die Diskussion um Inklusion an der Alltagspraxis vorbei. Der gemeinsame Unterricht von Schülern mit und ohne besonderen Förderbedarf sei eine „wissenschaftliche Diskussion im Elfenbeinturm“. Sowohl Schüler als auch Lehrer seien beim gemeinsamen Unterricht derzeit in manchen Situationen überfordert.

Einen Grund dafür sieht Tullner in dem bundesweiten Lehrermangel. „Wir haben den gemeinsamen Unterricht eingeführt, obwohl absehbar war, dass uns Lehrkräfte fehlen werden“, sagte der 49-Jährige. 

Der Minister hatte Mitte Dezember ein Konzept vorgestellt, mit dem er das Netz an Förderschulen im Land durch neue Kooperationsmöglichkeiten stärken wollte. Er verwies dabei auch auf den Elternwunsch. „Wenn Förderschüler an der Regelschule erfolgreich sind und sich wohlfühlen, habe ich damit kein Problem“, sagte Tullner, fügte jedoch hinzu: „Ich möchte aber, dass Eltern die Wahl haben, das zu tun, was sie für ihre Kinder richtig finden.“ Dafür brauche es ein „stabiles Netz an gut ausgestatteten Förderschulen“. Derzeit entschieden sich Eltern in zwei von drei Fällen dafür, ihr Kind in einer Förderschule lernen zu lassen.  

Außerdem zeigte sich Tullner überzeugt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland einseitig interpretiert werde. In dem Dokument sei von „Zugang zu Bildung“ und „Teilhabe an der Gesellschaft“ die Rede. „In Deutschland hat man daraus die Inklusion gemacht, bei der alle Kinder dieselbe Schule besuchen sollen. Das ist eine Überinterpretation.“

Sachsen-Anhalt gehört seit Jahren zu den Bundesländern mit der höchsten Schulabbrecherquote. Das liegt auch am vergleichsweise hohen Anteil Jugendlicher an Förderschulen, die meist ohne Abschluss abgehen. Bundesweit gibt es Debatten und Bestrebungen, mehr Förderschüler in regulären Schulen zu unterrichten.

Dieser Artikel ist am 22.12.2017 in der ZEIT erschienen.

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