Inklusion zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Drei Jahre schulische Inklusion in Nordrhein-Westfalen
Das Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention war, die Situation der Behinderten weltweit zu verbessern. NRW hat mit dem am 1. August 2014 in Kraft getretene 9. Schulrechtsänderungsgesetz / 1. Inklusionsgesetz) den Versuch unternommen, eine solche Verbesserung für die behinderten Kinder im Bereich der Schulausbildung auf den Weg zu bringen. Tatsächlich hat sich daraufhin die Schulausbildung/Förderung nicht nur der behinderten Kinder in NRW verschlechtert.
Eltern haben nun mit dem Gesetz einen Rechtsanspruch erhalten, ihr behindertes Kind auch in eine Regelschule einzuschulen. Dies kann aber nur dann sinnvoll und hilfreich sein, wenn die in Deutschland bereits seit langer Zeit vorhandene hohe Qualität der Förderung an Förderschulen für die Kinder in den Regelschulen zumindest erhalten bleibt.
Doch statt bei diesem sensiblen Projekt Sorge dafür zu tragen, dass das hoch entwickelte Know-how dieser Schulen den einzelnen Kindern weiterhin zu Gute kommt, wurde die Idee der Inklusion mit der Gießkanne in ganz NRW verteilt. Wo Zentren hätten entstehen müssen, die nach sorgfältiger Vorbereitung, Schulung und Ausstattung diese anspruchsvolle Aufgabe der parallelen Schulausbildung behinderter und nicht behinderter Schüler vielleicht hätten bewältigen können, hetzen Förderschullehrer immer noch mit aufgeteilten Stundenkontingenten von Schule zu Schule, stehen Lehrer in Regelschulen vor Klassen mit Schülern, deren vielfältige Bedürfnisse sie nicht erfüllen können.
Das Resumée nach 2 Jahren vielerorts: frustrierte, vereinsamte und schlecht geförderte behinderte Kinder, in ihren Erwartungen enttäuschte Eltern, überforderte und ihre Leistung in Zweifel ziehende Lehrer und bitter noch dazu, eine allgemeine Verlangsamung bzw. Verschlechterung der Schulausbildung aller in den Inklusionsklassen. Völlig ignoriert wurde zudem die Erkenntnis, dass gerade Kinder mit besonderen Problemen ein stabiles Umfeld und kontinuierliche persönliche Fürsorge brauchen. Auch an den Förderschulen, besonders im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen, haben sich die Lernbedingungen verschlechtert.
Wer die kontrovers diskutierte Inklusion so in unsere Schulen trägt, schadet der Idee und provoziert Frustration und Widerstand.
So fordern wir eine sofortige Revision der Inklusion in NRW, bevor der gute Gedanke der Inklusion durch diese schlechte Umsetzung auf Jahre vergiftet wird:
Unsere Forderungen:
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Beendigung dieser zum Scheitern verurteilten „Gießkannen“-Inklusion
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Verlangsamung und Konzentration des Inklusionsprozesses unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen, um einen nachhaltigen Aufbau zu ermöglichen
Unsere Vorschläge:
- Begrenzung der Inklusion zunächst auf wenige regional verteilte Inklusionsschulen mit deutlich größerer sonderpädagogischer Unterstützung ( Orientierung am GEW-Vorschlag: 20/5/2 – 15 Nichtbehinderte, 5 Behinderte und Doppelbesetzung mit einem Sonderpädagogen pro Klasse). Dadurch soll auch eine Entwicklung von „unten“ entstehen. Inklusive Schule soll nur die Schule werden/sein, die nach Sicherstellung der dazu notwendigen Ressourcen ein inklusives Förderkonzept erstellt und sich einer intensiven Fort- und Weiterbildung unterzogen hat und sich damit den Herausforderungen gewachsen fühlen kann. Nur so können wir relativ sicher sein, dass unsere behinderten Kinder nicht nur geduldet, sondern willkommen sind und nicht nur beschäftigt, sondern spezifisch gefördert werden.
- Kooperationen zwischen allgemeinen Schulen und Förderschulen gibt es bereits (insb. bei Grundschulen/Förderschulen). Sie müssen nur gesetzlich abgesichert sein und weiterentwickelt werden können. Das ermöglicht die intensive Förderung in spezifischen Förderschwerpunkten.
- Zieldifferenter Unterricht nur an Inklusionsschulen
- Für Eltern muss eine Wahlmöglichkeit bestehen. Das bedeutet, dass Eltern das Wahlrecht haben zwischen der sonderpädagogischen Förderung in inklusiven Schulen oder in Förderschulen. Insbesondere sind Elternwünsche bei der Einleitung und Durchführung von AO-SF-Verfahren zu akzeptieren.
- Auch den Regelschulen muss das grundsätzliche Recht gewährt werden, Anträge über den Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung und die Feststellung der Förderschwerpunkte für einen Schüler auch schon in den ersten Schuljahren zu stellen (Änderung § 19 Abs. 7 SchulG NRW), da ansonsten wertvolle Förderzeit verloren gehen kann.
- Umfassende , neutrale Beratung der Eltern durch die Schulaufsichtsbehörden über Möglichkeiten der Beschulung von Behinderten in Inklusions- bzw. Förderschulen.
- Flexibilisierung des regionalen Stellenbudgets
Das regionale Stellenbudget muss dem tatsächlichen sonderpädagogischen Bedarf in Abhängigkeit von der Zahl der Behinderten entsprechen und darf nicht auf der Basis statistischer Daten ermittelt werden. Dies ist notwendig, um das „Gießkannenprinzip“ zu durchbrechen und um ein Instrumentarium vorzuhalten, wenn z.B. regional die Zahl der Behinderten sich sowohl an inklusiven Schulen als auch Förderschulen verändert
- Stärkere Vermittlung von sonderpädagogischen Kenntnissen in der Lehrerausbildung und Intensivierung der sonderpädagogischen Lehrerfort- und – Weiterbildung für Lehrer an Inklusionsschulen.
Nur so retten wir die Idee der Inklusion .
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